Nicht jammern, sondern dankbar sein - Fazit einer 62jährigen

Ich stehe also heute Morgen vor dem Spiegel und schaue mich kritisch an. Die Augenlider dicker, okay die Lymphe floss über Nacht nicht richtig ab, einige meiner Finger tun weh und ich sehe deutlich die Spuren einer über 60jährigen im Gesicht und am Körper.

Aber statt zu hadern, überkommt mich plötzlich in ein Dankbarkeitsgefühl.

Foto von 1982

Hat mich dieser Körper nicht gut durch die Irrungen und Wirrungen der wilden,  jungen  Waver-Zeit geführt? Viel getanzt, getrunken und Blödsinn gemacht. Hier und da geraucht  und den Körper nicht großartig, außer dass man so aussehen wollte wie die Stars, beachtet. Er funktionierte durch all den Trubel hindurch. Außer hier und da einen starken Kater, ging alles doch super! Diäten hoch und runter, alles ausprobiert und alles verworfen. Zum Glück fing ich sehr früh mit Kraftsport an und bin dabei geblieben.

Dann die vielen Zeiten mit Liebeskummer, Tränen, Verzweiflung und Weltuntergangsstimmung. Eines meiner Lieblingslieder ''Ohne mich'' von Ina Deter drückte es gut für mich aus:

 

„… Und was draußen passiert interessiert mich nicht. Geht die Welt heute unter, geht sie ohne mich…“

Ich war jung und wild, und trotzdem erholten sich Geist und Körper erstaunlich gut von all der Schikanen.

 

Nun stehe ich also hier vor dem Spiegel. Und plötzlich nehme ich meinen Kopf, mein Gesicht in die Hände. Ich danke für all die schönen Momente der Liebkosungen die ich bekam, dankte meinen Augen, meinen Ohren, meiner Nase, meinem Mund, eben allen Sinnesorganen des Kopfes, für all das, was ich sehen, schmecken, hören, riechen durfte. Wie schmeckten die Küsse meiner Freunde? Wonach rochen sie? Was flüsterten sie mir zu? Ich dankte meinem fühlenden Herzen, für all die Liebe die ich bekam. Ich dankte meinen Händen für all ihre Tatkraft und die Zärtlichkeiten, die ich geben und empfangen durfte. Meinen inneren Organen, dass sie alles verdauen mussten und auch irgendwann konnten. Und meiner Yoni, die es ermöglichte, dass ich meinen wundervollen Sohn bekam. Meinen Füßen, die mich durch den bisherigen Dschungel des Lebens trugen.

Erfüllt stand ich eine Weile da und lächelte.

 

Und da frage ich euch, was sind geschwollene Lider und Schmerzen in den Fingern, wenn man bisher so durchs Leben getragen wurde?